Hinweis: Der folgende Text ist ein Gastbeitrag. Er gibt die persönliche Auffassung der Autorin beziehungsweise des Autors wieder. Der Beitrag ist keine Meinungsäußerung des Bundesministeriums für Gesundheit.

Gastbeitrag: Peggy Heinz

Peggy Heinz, stellvertretende Geschäftsführerin der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (NAKOS), erläutert in diesem Gastbeitrag die Entwicklung und den Mehrwert von Selbsthilfegruppen im Kontext von Long und Post COVID in Deutschland. Ergänzend benennt sie die Strukturen, die zur Unterstützung und Stärkung der Selbsthilfegruppen notwendig sind. 

Veröffentlicht am 08.01.2024

Portraitfoto Peggy Heinz

© Peggy Heinz

Selbsthilfe als unverzichtbare Stütze im Gesundheitswesen

Selbsthilfegruppen spielen als vierte Säule, neben der stationären, ambulanten und rehabilitativen Versorgung, im Gesundheitswesen eine entscheidende Rolle. Insbesondere für Menschen, die mit den Langzeitfolgen von COVID-19 kämpfen. 

Studien verdeutlichen die positiven Veränderungen, die Menschen durch die Teilnahme an Selbsthilfegruppen erfahren können. Dazu gehören die Entwicklung neuer Bewältigungsmechanismen, gesteigerte Motivation und Zuversicht im Umgang mit der Erkrankung sowie eine verbesserte Informationslage über die Krankheit. Die Teilnehmenden geben an, die Qualität von Gesundheitsinformationen besser einschätzen zu können und berichten von einer verbesserten Kommunikation mit Fachkräften im Gesundheitswesen (SHILD 2018).

Die transformative Kraft der gemeinschaftlichen Selbsthilfe

Nicht selten entwickelt sich aus der gemeinsamen Bewältigung in Selbsthilfegruppen oder Selbsthilfeinitiativen mehr. In einigen Fällen führt das Engagement zur Gründung von Vereinen oder Selbsthilfeorganisationen, die die Interessen der Betroffenen gezielt vertreten und politisch aktiv werden. Dieses Phänomen ist bereits in der Geschichte der Selbsthilfe, beispielsweise im Zusammenhang mit der HIV/AIDS-Pandemie eindrucksvoll dokumentiert. Und auch in Bezug auf die COVID-19-Pandemie zeichnet sich eine ähnliche Entwicklung ab: Betroffene zeigen, auch dank sozialer Medien und starker Verbündeter aus Medizin und Politik, Präsenz. Sie sind laut und machen auf Mängel in der Versorgung und Forschung aufmerksam.

Die Erfahrung, aktiv der eigenen Hilflosigkeit etwas entgegenzusetzen ist für Betroffene und Angehörige enorm wichtig. Sie erfahren in einer Situation von Kontrollverlust Selbstwirksamkeit. Trotz eigener extremer Belastungen durch die Erkrankung gehört zu werden, Einfluss zu nehmen und den eigenen Forderungen Nachdruck zu verleihen, gelingt in der Gruppe mit anderen Betroffenen und Verbündeten besser. 

Selbsthilfe bei Long COVID: Ein gemeinsamer Weg seit Sommer 2020

Insbesondere Menschen mit Long oder Post COVID sowie Angehörige von an COVID-19 Verstorbenen erfahren Unterstützung und Trost in Selbsthilfegruppen. Bereits im Sommer 2020 begannen sich Genesene in der Gemeinschaft zu organisieren, mit dem Ziel, Erfahrungen und Informationen zu teilen. Im deutschsprachigen Raum bildeten sich erste Facebook-Gruppen. In Deutschland wurden ab Oktober 2020 örtliche Selbsthilfegruppen gegründet, beispielsweise in Mühldorf am Inn, Unna und Regensburg (Hundertmark-Mayser 2021).

NAKOS erfasst und unterstützt deutschlandweit

Die NAKOS, als Fachstelle für gemeinschaftliche Selbsthilfe und Selbsthilfeunterstützung, erfasst seit Anfang 2021 regelmäßig neu entstandene Selbsthilfegruppen in Deutschland und veröffentlicht diese. Aktuell sind über 230 Selbsthilfegruppen rund um COVID-19, vor allem zu Long und Post COVID, in der Corona-Datenbank enthalten (Stand 11/2023). Interessierte finden die umfassende Datenbank unter https://www.nakos.de/adressen/corona-selbsthilfegruppen/.

Unterstützung durch Selbsthilfekontaktstellen

Der Erfolg und die Zunahme von Selbsthilfegruppen ist auch ein Verdienst der rund 330 Selbsthilfekontaktstellen in Deutschland. Sie unterstützen Selbsthilfegruppen bei der Öffentlichkeitsarbeit, der Raumsuche oder beraten zu Fördermöglichkeiten und der Gruppenarbeit. Die NAKOS Datenbank ROTE ADRESSEN bietet eine Übersicht über Selbsthilfe-Unterstützungsangebote in ganz Deutschland.

Fazit: Gemeinsam für Verbesserungen eintreten und Selbsthilfe-unterstützende Strukturen sichern

Es ist wichtig, dass Betroffene, Angehörige und Interessengruppen gemeinsam auftreten, um auf die spezifischen Bedürfnisse aufmerksam zu machen und Veränderungen herbeizuführen. Die Erfahrungen der Betroffenen sollten als wertvolle Quelle für Erkenntnisse und Verbesserungsvorschläge betrachtet werden.

Bestehende Selbsthilfe-unterstützende Strukturen sollten gefördert und gesichert werden. Dazu gehören Selbsthilfegruppen, Selbsthilfekontaktstellen und Netzwerke, die den Betroffenen eine Plattform bieten, um sich auszutauschen, zu unterstützen und gemeinsam für ihre Interessen einzutreten. Diese Strukturen sind ein bedeutsamer Faktor für die langfristige Bewältigung von Long COVID.

Literatur

Hundertmark-Mayser, Jutta: Was, wann, wer? – Chronologie zu Selbsthilfe und Corona bei der NAKOS. In: NAKOS INFO, Nr. 124, Dezember 2021, S. 38-40

Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf; Medizinische Hochschule Hannover (Hrsg.): SHILD-Studie. Gesundheitsbezogene Selbsthilfe in Deutschland. Entwicklungen, Wirkungen, Perspektiven (Fact Sheets). 1. Auflage. 2018.

Vita

Peggy Heinz ist stellvertretende Geschäftsführerin der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (NAKOS).

In den Jahren 2022 und 2023 leitete sie das Projekt „Hilfe nach COVID-19. Zugänge zur gesundheitlichen Selbsthilfe fördern“ (finanziert durch den AOK-Bundesverband) und baute die Corona-Datenbank der NAKOS mit auf.

Die NAKOS fungiert bundesweit als Ansprechpartnerin und bündelt Informationen zu gemeinschaftlicher Selbsthilfe und Selbsthilfeunterstützung. Unabhängig, themenübergreifend und kostenfrei veröffentlicht sie Materialien und Fachinformationen.

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