Runder Tisch Long COVID – März 2025

Am 31. März 2025 tauschten sich Expertinnen und Experten, Betroffenenvertretungen sowie maßgebliche Akteure des Gesundheitswesens gemeinsam mit Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach in Berlin erneut über die aktuellen Entwicklungen im Bereich Long COVID aus. Im Fokus standen insbesondere der vom BMG initiierte Partizipationsprozess „Long COVID bei Kindern und Jugendlichen“, der BMG-Förderschwerpunkt „Modellprojekte für Kinder und Jugendliche mit Long COVID“, die BMG-Förderschwerpunkte zur versorgungsnahen Forschung sowie die Arbeit der Expertengruppe Long COVID Off-Label-Use.

Das Foto zeigt Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach im Rahmen des fünften Runden Tisches Long COVID.

© BMG/ Thomas Ecke

Schwerpunkt: Long COVID bei Kindern und Jugendlichen

Zunächst wurden die Ergebnisse des vom BMG initiierten Partizipationsprozesses „Long COVID bei Kindern und Jugendlichen“ vorgestellt, der zum Ziel hatte, den besonderen Versorgungs- und Unterstützungsbedarf von Betroffenen zu erfassen und konkrete Handlungsansätze zur Verbesserung der Versorgung zu entwickeln. Am dreistufigen Prozess nahmen neben erkrankten Kindern und Jugendlichen unter anderem auch Angehörige, Lehrkräfte und Behandelnde teil. Dabei wurde deutlich, dass großer Handlungsbedarf besteht, sowohl was die Bereiche der Diagnose und Behandlung als auch Schule, Betreuung und Freizeit betrifft. Nähere Informationen zum Format gibt es hier.

Mit Spannung wurde dann der weitere Themenschwerpunkt des „Runden Tisches“ erwartet. Unter der Überschrift „Modellprojekte zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Long COVID“ wurden vier Projekte, die seitens des BMG in einem wettbewerblichen Verfahren Ende 2024 ausgewählt wurden und bis 2028 mit insgesamt 45 Mio. Euro gefördert werden, vorgestellt:

  • NGK4Family: Das Projekt der Betroffenenorganisation „Nicht Genesen Kids“ richtet sich an Familien von schwer und schwerstbetroffenen Kindern und Jugendlichen mit Long COVID und Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronischem Fatigue-Syndrom (ME/CFS). Es zielt darauf ab, die Resilienz und Pflegekompetenz der Angehörigen zu stärken und ihre konkreten Bedürfnisse sichtbar zu machen. Dafür werden moderierte Online-Selbsthilfegruppen, Vorträge, medizinische Fragerunden, Podcasts und Lehrvideos angeboten. Diese Formate bieten emotionalen Rückhalt, fördern Austausch und vermitteln praxisnahes Wissen. Gleichzeitig werden die Bedarfe der Familien anonym erfasst und sowohl der Wissenschaft als auch der Medizin zur Verfügung gestellt, um eine bedarfsgerechte, familienorientierte Versorgung zu verbessern. Das Projekt leistet damit nicht nur direkte Hilfe für betroffene Familien, sondern trägt auch zur systematischen Verbesserung der Versorgungslage bei.
  • PEDNET-LC: Dieses Modellprojekt etabliert ein spezialisiertes Netzwerk zum Aufbau einer bundesweiten Versorgungslandschaft zur harmonisierten, standardisierten und schnelleren individuellen Diagnose und Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Long COVID ähnlichen Erkrankungen, einschließlich ME/CFS und Beschwerden im zeitlichen Zusammenhang mit einer COVID-19-Impfung. An 20 spezialisierten Versorgungszentren („Comprehensive Care Centers“) wird eine interdisziplinäre, bedarfsorientierte Versorgung etabliert und im Verbund koordiniert. Ziel ist es, eine frühzeitige und qualitätsgesicherte Versorgung dieser komplexen Krankheitsbilder sicherzustellen. Ergänzend fließen Erkenntnisse aus Forschung, Registerdaten und Bildungsinitiativen in die Weiterentwicklung der Versorgung ein.
  • COVYOUTHdata: Dieses Projekt zielt darauf ab, die Langzeitfolgen von COVID-19 bei Kindern und Jugendlichen frühzeitig zu erkennen, besser zu verstehen und effektiv zu bewältigen. Dazu werden rückblickend Daten aus der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) analysiert, um Risikofaktoren zu identifizieren und die Häufigkeit von Post-COVID-Symptomen zu bestimmen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung und Validierung einer spezifischen Falldefinition für das Post-COVID-Syndrom (PCS) bei dieser Altersgruppe. Durch die Verknüpfung von GKV-Leistungsdaten mit Impfdaten sollen zudem Beschwerden im Zusammenhang mit COVID-19-Impfungen untersucht werden. Ergänzend erfolgt eine subjektive Nutzen-Risiko-Analyse von COVID-19-Impfungen bei Kindern und Jugendlichen mittels quantitativer Befragungen.
  • PedMYCVAC – Follow-up: Dieses Projekt untersucht den Verlauf und mögliche Langzeitfolgen von Herzmuskelentzündungen (Myokarditis) bei Kindern und Jugendlichen nach einer mRNA-COVID-19-Impfung. Das Projekt erfasst prospektiv neue Verdachtsfälle und begleitet bereits dokumentierte Patientinnen und Patienten weiter. Neben klinischen Symptomen und funktionellen Einschränkungen werden auch MRT-Bilder und Aspekte der Lebensqualität erfasst. Ein Vergleich mit nicht impfassoziierten Myokarditis-Fällen soll helfen, Unterschiede im Krankheitsverlauf und potenzielle Risiken besser zu verstehen.

Schwerpunkt: BMG-Förderschwerpunkt versorgungsnahe Forschung zu Long COVID

Ein weiterer Themenschwerpunkt des Austauschs war der BMG-Förderschwerpunkt zur versorgungsnahen Forschung zu Long COVID. Hierfür wurden in einem wettbewerblichen Verfahren 30 Projekte zur Förderung mit einer Gesamtsumme von 73 Mio. Euro bis 2028 ausgewählt. Der Leiter des Koordinationsprojektes „LongCARE“ sowie weitere Projektleitende aus diesem Förderschwerpunkt waren geladen, um sich zur Versorgungsforschung auszutauschen.

  • LongCARE: Dieses Projekt dient als Plattform zur Koordination und Unterstützung der Projekte des Förderschwerpunktes. Ziel ist es, innovative Versorgungsansätze zu erforschen, bestehende Forschungsergebnisse zu verbreiten und neue wissenschaftliche Erkenntnisse schnell in die Praxis zu überführen. Die Plattform bietet eine zentrale Anlaufstelle für die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Forschenden und Versorgenden und trägt als nachhaltige Netzwerk- und Kommunikationsstruktur zur kontinuierlichen Verbesserung der Versorgung von Menschen mit Long COVID bei. Dabei unterstützt LongCARE die Entwicklung gemeinsamer Standards, vernetzt mit bestehenden Gesundheitsdateninfrastrukturen und bringt Expertise zu Datenschutz und regulatorischen Fragen ein. 

Ziel aller geförderten Projekte ist es, dass Forschungsergebnisse zur Behandlung von Long COVID möglichst zeitnah in der Versorgung ankommen und umgekehrt, dass Daten aus der Versorgung für Forschende zur Verfügung stehen.

Weitere Informationen zu den BMG-Förderschwerpunkten zur Versorgungsforschung zu Long COVID und zu Modellprojekten für erkrankte Kinder und Jugendliche mit Long COVID sowie den geförderten Projekten finden sich auf der Ressortforschungsseite des BMG.

Darüber hinaus wurden auch Ergebnisse weiterer Forschungsprojekte vorgestellt, etwa zur angemessenen Einbindung von Patientinnen und Patienten mit Belastungsintoleranz („Post-Exertionelle Malaise“, PEM) in Forschungs- und Versorgungsstrukturen: Aus den Reihen der Wissenschaft wurde auf durchaus gute Erfolge bei einer gezielten Rehabilitation verwiesen. Hier könne beim Reha-Fachpersonal eine hohe Sensibilität für PEM und Pacing geschaffen werden: Ein individuelles, vorsichtig dosiertes Bewegungstraining zeige erste gute Evidenzen. Auch die Deutsche Rentenversicherung unterstützt diese Therapieform bei betroffenen Patientinnen und Patienten. Es wurden aber auch Stimmen laut, die mit Blick auf die möglichen Risiken einer aktivierenden Rehabilitation für diese Patientengruppe warnten, in Reha-Maßnahmen das Mittel der Wahl zu sehen. Hier müsse sorgfältig geprüft werden, denn bei nicht wenigen Patientinnen und Patienten könne es durch Überlastung zu einer Verschlechterung des Krankheitsbildes kommen. Nach Ansicht der Teilnehmenden ist eine umfassende Schulung von Ärztinnen und Ärzten weiterhin von zentraler Bedeutung und sollte kontinuierlich ausgebaut werden. Zudem wurde die Notwendigkeit zusätzlicher aufsuchender Versorgungsangebote hervorgehoben.

Schwerpunkt: Expertengruppe „Long COVID Off-Label-Use“ 

Zum Abschluss stellte die Expertengruppe „Long COVID Off-Label-Use“ beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ihren aktuellen Ergebnisstand vor und konnte mit einer guten Nachricht ihre Ausführungen einleiten: Sie kündigte die Veröffentlichung von Bewertungsvorschlägen zu konkreten Wirkstoffen an. Die Bewertung beruht auf den vorläufigen Ergebnissen einer umfassenden Evidenzrecherche zu einer Vielzahl von Wirkstoffen und Arzneimitteln aus internationalen Studien. Des Weiteren teilte die Gruppe mit, dass sie ihre Therapieempfehlungen für den Einsatz von Arzneimitteln zur Behandlung von Long COVID in dem eigens entwickelten Therapie-Kompass erweitern wird. Während der Kompass bisher primär Therapeutika für Erwachsene umfasst, werden auch Hinweise zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen aufgenommen. Die Vorreiterrolle, die das BfArM gerade auch mit Blick auf die Arzneimittel-Therapie im internationalen Vergleich einnimmt, wurde von Herrn Minister Lauterbach an dieser Stelle noch einmal deutlich betont.

Ausblick

Nach drei Stunden intensiven Austauschs verabschiedete Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach seine Gäste schließlich mit einem positiven Resümee: „Unsere Initiativen, Long-COVID-Patientinnen und -Patienten zu helfen, zeigen erste Erfolge. Die Projekte zur Versorgungsforschung sind bewilligt, Kindern und Jugendlichen wird in Modellprojekten geholfen, die Liste mit Arzneimitteln zur speziellen Therapie von Long COVID ist in Arbeit, der Austausch mit Angehörigen sorgt für besseres Verständnis der Bedürfnisse Betroffener. Wir können Long COVID leider immer noch nicht heilen. Aber wir können denjenigen, die immer noch unter den Folgen der Pandemie leiden, Hoffnung geben und arbeiten weiter mit dem Ziel der Heilung. Wir werden in unserem Einsatz nicht nachlassen.“

Weitere Informationen

Informationen zum Partizipationsprozess „Long COVID bei Kindern und Jugendlichen“: 
https://www.bmg-longcovid.de/diskurs/beteiligung  

Geförderte Projekte im BMG-Förderschwerpunkt „Erforschung und Stärkung einer bedarfsgerechten Versorgung rund um die Langzeitfolgen von COVID-19 (Long COVID)“:
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ministerium/ressortforschung/handlungsfelder/forschungsschwerpunkte/long-/post-covid.html

Informationen zur Expertengruppe Long COVID Off-Label-Use beim BfArM: https://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Zulassung/Zulassungsrelevante-Themen/Expertengruppe-Long-COVID-Off-Label-Use/_node.html 

 

Dr. Susanne Armbruster, Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)

Dr. Margit Aufterbeck, ifok GmbH

Prof. Dr. Uta Behrends, Technische Universität München (TUM)

Thomas Biewer, Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) 

Prof. Dirk Brockmann, Technische Universität Dresden (TUD)

Prof. Dr. Karl Broich, Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)

Gritt Buggenhagen, ME-Hilfe e.V. 

PD Dr. Roland Elling, Universitätsklinikum Freiburg (UKF)

Erkan Ertan, Arbeitsstab Beauftragter der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten

Prof. Dr. Ursula Felderhoff-Müser, Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ)

Dr. Antje Hammer, Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen (BVKJ)

Thorben Heunecke, Post Vac Syndrom e.V.

Dr. Katharina Jakob, Bundeskanzleramt (BKAmt)

Prof. Dr. Volker Köllner, Charité - Universitätsmedizin Berlin 

Dr. Thomas Maibaum, Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

Dr. Matthias Meergans, Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) 

Mareike Mitschele, NichtGenesen

Dr. Angela Neumeyer-Gromen, Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V. (DKG)

Dr. Petra Nies, Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA)

Dr. Wiebke Pühler, Bundesärztekammer (BÄK)

Thomas Romes, Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)

Prof. Dr. Lars Schaade, Robert Koch-Institut (RKI) 

Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen, Charité - Universitätsmedizin Berlin 

Dr. Franziska Seidel, Charité - Universitätsmedizin Berlin 

Sebastian Semler, Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e.V. (TMF)

Dr. Sandra Stengel, Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD)

Dr. Philipp Storz-Pfennig, GKV-Spitzenverband (GKV-SV)

Prof. Dr. Christian P. Strassburg, Universitätsklinikum Bonn (UKB)

Dr. Tanja Strieder, Robert-Bosch-Krankenhaus (RBK)

Johanna Theobald, Long COVID Deutschland

Prof. Dr. Nina Timmesfeld, Ruhr-Universität Bochum (RUB)

Nadine Ton, Post-Vac-Netzwerk

Dr. Daniel Vilser, AMEOS Klinikum Neuburg, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin 

Soleil Völkl, NichtGenesenKids e.V.

Prof. Dr. Martin Walter, Universitätsklinikum Jena (UKJ)

Dr. Marie Witt, Deutsche Gesellschaft für ME/CFS e.V.

Prof. Dr. Bernhard Wörmann, Charité - Universitätsmedizin Berlin